4. Gab es eine Steigerung im Schwierigkeitsgrad im Laufe der Zeit?

Interview mit Herrn Henri Spychiger

Von der täglichen Arbeit im Wald zum Rückesport.

o Die Arbeit mit Freibergern im Wald

1. Welche Ausrüstung braucht man beim Holzrücken im Wald?

Wir brauchen ein Ortscheit und eine Jokerkette. Eine Jokerkette ist eine feine Kette, die eine Zugfestigkeit bis zu 5 Tonnen hat. Diese kann leichter unter den Stämmen durchgezogen werden als eine grobe Kette und verursacht weniger Reibung zwischen dem Stamm und demBoden. Wenn man professionell rückt, bewähren sich Zugstränge aus Nylon. Diese sind zugfest, aber vor allem leicht zu pflegen. Man kann sie einfach mit Wasser abspritzen und trocknen lassen. Am Geschirr sollte so wenig wie möglich befestigt sein. Denn alles Überflüssige kann zu einer Gefahr werden. z. B. Hintergeschirr, Landentragriemen, Brustketten usw

Nylonstränge sollten immer mit Leder geschützt sein, damit zwischen dem Pferdeleib und dem Kunststoff Nylon keine Reibung entsteht.

 

2. Welche Hilfengebung ist fürs Rücken wichtig?

Das Pferd lernt nach und nach die Kommandos. Aber ich behaupte, dass es heutzutage wenige Pferde gibt, die immer aufs Wort gehorchen. Daher habe ich über die Leinen möglichst ständig Kontakt mit dem Pferd. (Das steht auch im Rückereglement) Es ist unwirtschaftlich mit einer Hilfsperson zur Sicherung der Pferde zu arbeiten. Auch im Wald arbeite ich nach Achenbach zum Beispiel in der Grundhaltung damit ich eine Hand frei habe, um anhängen oder abhängen zu können. Theoretisch muss immer ein Kontakt bestehen, in der Praxis im Wald muss ein Pferd aber auch einfach stehen können. Ob man eine Peitsche benutzt oder nicht ist ein Dauerthema. Natürlich ist es in einigen Situationen von Vorteil, wenn man die Pferde mal touchieren kann, zum Beispiel hilft es den Zugausgleich im Zweispänner herzustellen. Manchmal ist eine Peitsche aber bei der Arbeit im Wald auch im Weg. 

3. Welche Voraussetzungen an das Gelände/Schwierigkeiten des Geländes müssen beachtet werden?

Sumpfiges Gelände ist immer schlecht, weil der Boden tief ist, das ist für die Pferde sehr anstrengend. Viele Pferde haben dort Angst. Steiniges und felsiges Gelände ist gefährlich, weil man hängen bleiben kann. Das Pferd kann stolpern oder in Löcher treten. Auch viel Steigung macht es schwieriger, da das Pferd nicht unbegrenzt ziehen kann. Das muss man dann mit Physik ausgleichen, indem man mit einem Flaschenzug arbeitet. Ein Pferd kann über 20 Meter, gut sein eigenes Gewicht ziehen. Es geht hier nicht um das Gewicht des Stammes sondern um den Zugwiderstand, der aus der Steigung und der Haftreibung (Stammbeschaffenheit, Rinde und Beschaffenheit des Bodens) resultiert. Bergab kann das Holz gebremst werden, indem der Stamm nicht ganz ausgeastet wird. Generell kann man sagen, dass gute Rücker mit guten Pferden überall zurecht kommen, die Anforderungen sind halt entsprechend hoch.

4. Gibt es Gefahren durch das Gelände/Pferd für das Pferd oder den Menschen?

Für das Pferd:            Der Fuhrmann im Wald besser der Rücker sollte das Pferd nie über Holzstapeln gehen lassen, da sich die Pferde die Beine brechen können. Sowohl beim Anziehen als auch im Zug sollte der Zug so konstant wie möglich sein, denn das Nachschiessen des Stammes ist gefährlich und durch diese schlechte Erfahrung verliert das Pferd seine Zugwilligkeit. Ein konstanter Zug ist der fromme Wunsch jedes Rückers aber natürlich nicht immer 100% umzusetzen. Im Schnee ist es besser, der Schnee dämpft. Für den Menschen:     Immer auf der oberen Seite gehen. Immer die physikalischen Gesetze beachten. Das Ausschwenken des Stammes ist für Hilfspersonal gefährlich. Ruhe in der Arbeit ist wichtig ebenso eine bedachte Vorbereitung und Planung des Arbeitseinsatzes. Vorausschauendes Arbeiten bedeutet, sich das Gelände vorher anzuschauen. Man sollte sich den Weg genau ansehen und abgehen, um Gefahrenstellen auszumachen und den Weg zu planen. Bestehendes Holz sollte geschützt werden. Man muss seine Pferde einschätzen können. Wenn ich ein Pferd habe, das ungern durch Pfützen geht, nehme ich ein anderes mit in sumpfiges Gelände. 

5. Welche Pferde sind für das Rücken geeignet? Voraussetzungen beim Pferd/Anforderungen an das Pferd.

 Im Prinzip geht jedes Pferd. Je höher das Pferd im Blut steht, desto eher ist die Tendenz zur Nervosität vorhanden. In dem Buch „Waldarbeit und Waldarbeiter im Prättigau“ von Walter Schmitter 1991, wird an einer Steller beschrieben, daß die hoch im Blut stehenden Warmblutpferde in sehr schwierigen Situationen eher Nervosität zeigen. Oft brauchen diese Pferde länger, bis sie wissen, es passiert ihnen nichts, trotzdem lernen sie schneller. Ich selber habe diese Erfahrungen mit Freibergern der F1 Kreuzungen (L-Linie, Alsacien) gemacht. Man weiß, daß Blutpferde oft ehrlicher sind. Ich bin mit diesen Pferden immer gut zurechtgekommen. Die Originalen haben einen psychologischen Vorteil: die Leute denken, der hat kein Blut, also kein Blut gleich guter Charakter. Das stimmt nicht, aber der psychologische Aspekt hilft, weil die Herangehensweise an das Pferd anders ist. Man braucht beim Rücken Pferde mit Masse, vor allem eine starke Kruppe für die Kraft und den Schub von hinten. Starke Beine sind auch wichtig. Der Kötenbehang schützt die Beine bis zu einem gewissen Grad. Vor allem bei uns im Schnee ist ein Kötenbehang von Vorteil. Der Kötenbehang schützt die Fesseln im Schnee vor Reibung. Korrektes Beschläge und Schneegrips im Winter sind Pflicht.   Am Rückeschlitten: hinten links Malin (Lambado-Humour-Juriel), hinten rechts die trächtige 5jährige Zoë (Cabernet-Lindorain-Jerry), vorne links der 28jährige Romeo aus der erloschenen U-Linie (Ubaldo-Rocambole-Horatius), vorne rechts die 12jährige Zita (Lindorain-Jerry-John)   

6. Welche Pferde sind nicht für die Arbeit im Wald geeignet?

Ein faules Pferd, ein Pferd das keinen Ehrgeiz hat. Man braucht ein ehrliches Pferd. Es muss den Stamm herausbringen wollen. Es ist an mir zu sehen, ob es das kann. Es muss stehen können. Es kann aus wirtschaftlichen Gründen nicht sein, dass ich eine zweite Person brauche, die das Pferd hält. Ich muss hinter dem Pferd arbeiten können, ohne dass sich das Pferd durch Geräusche einer Motorsäge, oder eines fallenden Baumes irritieren lässt. 

7. Welche besonderen Belastungen für das Pferd (psychisch/körperlich) sind zu beachten?

 Der Fuhrmann muss wissen, wie er das Pferd belasten kann. Junge Pferde können schnell in Panik geraten. Der individuelle Stresspegel ist vielleicht auch eine Blutfrage. Das Pferd muss immer und immer wieder anziehen und nicht einfach beim zweiten oder dritten Mal nicht mehr wollen. Das Pferd muss aber auch das Vertrauen haben, dass der Fuhrmann hilft, indem er zum Beispiel die Kette dreht, so dass der Stamm sich etwas löst und das Pferd beim Anziehen wieder Erfolg hat. Es ist unsere Aufgabe dem Pferd nichts zuzumuten, was es nicht kann. Am Anfang der Arbeit soll man mit wenig Gewicht beginnen, damit das Pferd sich aufwärmen kann, Vertrauen fasst und nicht die Zugfreude verliert. Im Laufe der Arbeit kann man sich steigern. Junge Pferde (3 Jahre) haben im Wald nichts verloren. Man kann auch mal mit einem jungen Pferd in den Wald gehen, aber dann beschränkt man sich auf leichte Stämme zur Gewöhnung, Das Rücken ist ebenso sehr psychische wie körperliche Belastung für das Tier. Der Mensch braucht für diese Arbeit viel Erfahrung, je älter man wird desto erfahrener und ruhiger ist man. Neben der Erfahrung braucht man im Wald aber auch Glück. 

8. Welche Voraussetzungen/Anforderungen gibt es an den Menschen?

Der Mensch muss Intelligenz mitbringen, beim Rücken geht es vor allem um Physik. Schon beim Fällen des Baumes muss ich wissen, wo ich später mit dem Baum rauskomme und wo nicht. Auch das Gewicht eines Baumes muss ich einschätzen können. Es gibt unterschiedliche Tannenarten, die sich im spezifischen Gewicht zum Teil erheblich unterscheiden. Mann muss sich immer wieder die Frage stellen, ob das Pferd diesen Stamm auch ziehen kann. Es ist wichtig vorausschauend zu arbeiten und nicht zu denken: „ich will noch schnell… „. Man darf auch nie den Helden spielen wollen. Ich trage immer Reitgamaschen damit bin ich gut geschützt. 

9. Sind Stuten oder Wallache besser geeignet?

Das kann ich nicht objektiv beurteilen. Ich habe immer das Gefühl, dass ich den Wallachen mehr zumuten kann. Stuten haben mehr Ehrgeiz. 

10. Unterschiede früher und heute?

Ich hatte das grosse Glück in meiner Kindheit erlebt zu haben, wie mit den Pferden gearbeitet wurde. Der Hofkarrer war Artilleriefahrer bei der bespannten Artillerie. Diese wurde 1948 abgeschafft. Der Meister war Feldweibel bei derselben Waffengattung. Diese Pferdemenschen haben mich geprägt. Früher musste jeder mit den Pferden arbeitet, weil man nicht anders konnte. Das waren nicht alles gute Pferdemenschen. Darum ist es gut, dass heute nicht mehr jeder mit Pferden arbeitet. Da habe ich viel gesehen! Früher hat man sich für alles mehr Zeit genommen. Die Alten haben auf die Natur geschaut. Sie haben nicht gesagt, heute muss das Holz raus sondern haben auf die Natur geachtet. Bei weichem Boden hat man noch gewartet, da gefrorener Boden fürs Rücken besser geeignet ist. Sie hatten mehr Respekt vor der Natur. 11. Ist das Pferd im Wald der Maschine unterlegen? Ja natürlich aber nicht überall. Beim Holzrücken mit dem Pferd kommt es kaum zu Schäden. Ich mache im Frühling Fotos von den Arbeitsplätzen und freue mich darüber, dass man kaum Flurschäden sieht. Es bedeutet für mich einen gewissen Berufsstolz. Leider wird das heute kaum berücksichtigt. Lieber zahlt man die Instandstellung des beschädigten Bodens als sich die Zeit für die Arbeit mit dem Pferd zu nehmen. Das hat mit der heutigen Einstellung der Menschen zu tun. Im Forst setzt ein Förster die Pferde überall ein, wo er kann. Auf kleinen Distanzen bis zu 100 Metern ist das Pferd der Maschine nicht unterlegen. Es gibt eine neue Methode die sich halbmechanisiert, auf französisch le débusquage semi mécanisé nennt. Die Rückekette wird oberhalb der Schnittfläche um den noch zu fällenden Baum angebracht. Die Kette darf nicht durchhängen, daher steht das Pferd schon in leichtem Zug. Dann wird eine Fallkerbe auf der vom Pferd abgewandten Seite gesägt. Diese Kerbe bestimmt die Fallrichtung. Auf der dem Pferd zugewandten Seite wird der Baum durch sägen zum Fallen gebracht. Sobald der Baum fällt, zieht das Pferd an und beginnt den noch im Fall befindlichen Baum zu ziehen, damit wird die Fallrichtung des Baumes gesichert und im dichten Jungwuchs bleibt er nicht hängen. Der Baum wird auf direktem Wege zum Prozessor gezogen, der ihn weiter verarbeitet. Das hat den Vorteil, dass die Maschine immer am gleichen Ort stehen bleiben kann. So steht das Pferd nicht in Konkurrenz zur Maschine, sondern bildet ein Glied in der Arbeitskette. Dabei kann nicht die Maschine das Tempo angeben, da diese nicht ermüdet. Diese Methode scheint sich zu bewähren. Sie eignet sich zur Durchforstung von Jungwuchs für Bäume bis 30cm Durchmesser. 12. Wie viele Stämme kann man im Wald poltern? Unter Poltern versteht man das Holz zu stapeln. Heute poltern wir im Wald praktisch nicht mehr mit den Pferden, sondern mit dem Frontlader. Früher haben wir mit den Pferden gepoltert, dann muss man mit einer Rampe und einem Seil arbeiten. Das macht heute niemand mehr.   Am Rückeschlitten bergauf: hinten links Malin,hinten rechts Zoë, vorne links Romeo, vorne rechts Zita  

o Rücken als Sportart

1. Wie entstand das Rücken in der Schweiz als Sportart?

Jakob Jucker und ich haben unabhängig voneinander das Rücken als Sportart in Deutschland gesehen. Meine Absicht war es, eine Sportart in der Schweiz zu etablieren, an der jedermann mit einfachen Mitteln teilnehmen kann. Ich habe dabei besonders an die Menschen gedacht, die zu Hause noch mit ihren Pferden arbeiten. Die anderen Sportarten entwickelten sich in dieser Zeit zu Materialschlachten und erforderten immer mehr finanzielles Engagement und zeitlichen Aufwand. Unser Freibergerzuchtverband hat das Rücken als Sportart 1997 in der Schweiz eingeführt. Jakob Jucker hat das Reglement ausgearbeitet.  

2. Gibt es Elemente in der Rückeprüfung, die der Realität im Wald entsprechen?

 Alle Elemente entsprechen der Realität. Ich bin überzeugt, die Teilnehmer der Rückeprüfung könnte man mit in den Wald nehmen.

3. Wie unterscheidet sich die Arbeit im Wald vom Sport?

Präzision ist im Sport entscheidend aber sonst gibt es wenig. Wir müssen auch im Wald bestandsschonend und präzis rücken. Eine Rückeprüfung ist dann gut, wenn sie der Arbeit im Wald entspricht und eine Anlehnung an die Praxis erkennbar ist. Eine Person, die nie im Wald gerückt hat, kann keinen guten Rückeparcours bauen.

4. Gab es eine Steigerung im Schwierigkeitsgrad im Laufe der Zeit?

Es gibt zwei Kategorien im Rückesport. Die zwei Kategorien gab es nicht von Anfang an. Es kommen auch örtliche Gegebenheiten und Traditionen zum Tragen Die Atmosphäre ist in den letzten 16 Jahres gleich geblieben. Es ist keine Materialschlacht geworden. Die Leute helfen sich gegenseitig. Beim Holzrücken bringt es nichts, mit einem Prunkgeschirr an den Start zu gehen. Das Rücken ist die einzige Disziplin, die in den Händen des Zuchtverbandes geblieben ist. Der Sportverband wollte diese junge Disziplin übernehmen. Wir wollten unsere Selbständigkeit behalten. In dieser Zeit haben sich viele Sportarten im Sportverband eingegliedert. Das wäre für uns mit Kosten verbunden gewesen. Der Sportverband legt die finanziellen Richtlinien für Wettbewerbe derjenigen Sportarten fest, die er betreut. Außerdem bestimmt er, wie die Ausbildung der Teilnehmer und Richter und der Parcoursbauer aussehen soll. Das wollten wir nicht.

5. Was ist die Faszination im Rückesport?

Das er das geblieben ist, was er war. Er spiegelt die Aufgaben im Wald wider. Er soll die Menschen animieren mit ihren Pferden, wieder im Wald zu arbeiten. Wenn jemand im Rückesport tätig ist und auch im Wald arbeiten möchte, wird er das können. Ich finde es schade, dass sich kaum jemand die Mühe macht diese Dienstleistung anzubieten. Ich fahre weit, um dort im Wald zu arbeiten, wenn es in der Umgebung niemand anbietet.   

Tanja Kernen und Barbara Heim 16.05.2011

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