Der Unfall

Am 2. Juni 2007 spannten wir Mandoline und Que d'Espoire wie immer ein, um mit der Familie und Freunden eine kleine Tour im Bergischen zu unternehmen. Unsere Tochter Julia und unsere Freundin Renate reiten auf ihren Pferden hinter der Kutsche. Unsere Pferde laufen super an der Kutsche und haben offensichtlich genauso viel Freude an der Fahrt wie wir. Wir schlagen den üblichen Weg, in Richtung "Fit Hotel" ein. Das kleine Sträßchen führt geschlängelt bergauf, rechts und links von Wald umgeben. Wir haben noch ca. 300 m bis zu dem Feldweg, in den wir immer einbiegen, als wir einen Wagen beschleunigen hören. Mein Mann, der die Kutsche fährt, flucht und führt die Pferde so weit auf die rechte Seite, wie der Anstieg in den Wald das zuläst. Einen Moment später schießt ein Auto um die vor uns liegende Kurve und schon quietschen die Reifen.

Tageszeitung vom 3. Juni: Autofahrer kollidiert mit Kutsche 

Mit überhöhter Geschwindigkeit, so die Polizei, befuhr ein 19-jähriger Mucher am gestrigen Abend, gegen 18.15 Uhr, mit seinem PKW, einen Wirtschaftsweg. Er konnte den PKW trotz einer Vollbremsung nicht rechtzeitig anhalten und stieß mit dem linken Pferd des Gespanns zusammen. Es wurde auf die Motorhaube aufgeladen und prallte gegen die A-Säule des PKW. Im Anschluß zogen die verschreckten Pferde die vollbesetzte Kutsche fünf Meter weit in den angrenzenden Wald hinein. Eines von zwei Pferden, die der Kutsche folgten, scheute und warf seine 10-jährige Reiterin ab. Sie wurde wie drei Insassen der Kutsche (8-jähriger Junge, 11-jähriges Mädchen und 37-jährige Frau) leicht verletzt und mußte zur Behandlung einem Krankenhaus zugeführt werden. Das bei dem Unfall verletzte Pferd erlitt eine größere Fleischwunde an der Brust und wurde von einem Tierarzt versorgt. An dem PKW vom Typ 'Mitsubishi' entstand Totalschaden. 

Ich kann nicht beschreiben, was für ein Gefühl es war, Mandoline auf das Auto aufprallen zu sehen. Wir waren alle davon überzeugt, dass ihre Beine gebrochen sein müssen. Noch Tage später hatten wir große Mühe uns von den Bildern in unseren Köpfen loszureißen und den Alltag anzupacken. 

Mandoline, sie hat es mir oft nicht leichtgemacht. 4 Jahre lang haben wir gute und schlechte Zeiten erlebt. Wir haben miteinander um jeden Zentimeter Boden gekämpft und uns anschließend wieder zusammengerauft. Jede Menge Tränen habe ich aus Verzweiflung oder Rührung vergossen. Mandoline hat viel Energie gekostet und mir viel Kraft gegeben. Endlich haben wir etwas gefunden bei dem Mandoline wirklich Leistungsbereitschaft zeigte: beim Kutsche ziehen. 

Soll das jetzt zu Ende sein, nur weil ein Fahranfänger einen Wirtschaftsweg als Trainingsstrecke genutzt hat? 

So viele Reiter und Fahrer wir kennen, so viele Meinungen und Ratschläge bekommen wir zu hören. Uns stellen sich Fragen: kann ein Pferd so einen Schock dauerhaft überwinden, können wir als Eltern von 3 Kindern so ein großes Risiko eingehen, wird Mandoline jemals wieder zuverlässig, wird sie in einer kritischen Situation austicken, können wir sie ohne Gefahr wieder im Gelände reiten und sollen wir es jemals wagen sie wieder einzuspannen? Es gibt genügend schlechte Beispiele: Pferde die nach Jahren plötzlich wieder austicken, weil ein Schlüsselreiz, den der Mensch nicht wahrgenommen hat, eine Panik auslöst. Aber es gibt auch gute Beispiele. 

Kann ich es verantworten Mandoline einem ungewissen Schicksal zu überlassen? Wenn ich sie jetzt als „Unfallpferd“ verkaufe, blüht ihr sicherlich keine gute Zukunft. Aber darf ich für Mandolines Wohlergehen unsere Familie in Gefahr bringen. Ich könnte Mandoline natürlich einfach auf die Weide stellen, aber erstens wird ihr das nicht gerecht und zweitens ist eines klar: Wenn ich sie behalte, werde ich sie auch wieder reiten, vielleicht auch wieder fahren.  

Unsere rechtlichen Ansprüche werden jetzt von einem Rechtsanwalt vertreten. Wir sind gespannt wie unsere Auseinandersetzung mit der Versicherung ausgehen wird. Der Schaden an der Kutsche ist nicht schwer zu beurteilen. Aber wie beurteilt man den Restwert eines 7-jährigen ausgebildeten Pferdes, das im Gelände und an der Kutsche eine Lebensversicherung war? Auf dem unsere Kinder und deren Freunde Longestunden und Reitunterricht hatten. Wie beurteilt man den Rest- oder Wiederbeschaffungswert eines Freundes?

Zurück

Suche nach ...